Es begann mit einem Versprechen. Dem Versprechen, auf ihn zu warten bis er endlich zu mir zurückkehrt. Ihn zu lieben, auch wenn er nicht bei mir sein kann. Dem Vertrauen, dass unsere Liebe Zeit und Raum überwinden kann, daran vielmehr wächst, statt zu verderben. Es begann in jener dunklen Nacht im Februar, in der sich unsere Wege trennten für lange 5 Monate, und es endete an einem schönen Sommerabend im Juli.
Am Abend vorher war ich sehr ruhig und konnte es noch gar nicht richtig realisieren. Die lange Zeit des Wartens sollte am nächsten Tag wirklich vorbei sein. Hatten wir es wirklich "schon" geschafft?
Die Herzrhythmusstörungen kamen über Nacht. Ich wachte plötzlich auf, fühlte mein Herz rasen und konnte nicht wieder einschlafen. Der Wecker zeigte 2 Uhr nachts, halb 5 nach afghanischer Zeit. Zeit für den Mann, sich abflugbereit zu machen! Es würde wirklich passieren. Verrückt!
Irgendwie habe ich die Nacht doch noch überstanden. Das letzte Frühstück mit den Mädels ohne den Papa. Dann Betten beziehen, der Moment, auf den ich mich den ganzen Einsatz über gefreut hatte. Es bedeutet: Von nun an schlafe ich nicht mehr alleine! Und Sachen packen für die Übernachtung der Mädels bei den Großeltern. Wir hatten uns nämlich dafür entschieden, dass dieser Moment des Wiedersehens und Nach-Hause-Holens nur seiner und meiner sein sollte. Mit den Kindern würden wir am nächsten Tag ganz in Ruhe und zuhause Familienzusammenführung zelebrieren.
Als die Mädels dann bei der Oma abgeliefert waren, machte ich mich daran, die Wohnung auf Vordermann zu bringen. Aufräumen, saugen, wischen. Bäder sauber machen. Man veranstaltet einen Aufwand, das ist unglaublich. Dabei ist es den Männern sicher egal, ob gewischt ist oder ob die Fenster geputzt sind. Hauptsache sie sind wieder zuhause. Mir aber nicht. Es sollte alles perfekt sein. Ich natürlich auch. Also duschen und zurecht machen. Das frisch gekaufte Outfit auf die hochsommerlichen Temperaturen abstimmen und endlich war es an der Zeit, zum Flughafen zu fahren. Ich hatte zeitlich einen riesen Puffer falls Stau und so. Sind ja Sommerferien. Und ganz ehrlich: Länger hätte ich nicht zuhause rumsitzen können. Beim Autofahren war ich also erst einmal beschäftigt.
Die zittrigen Finger wichen einem sich in der Magengegend ausbreitendem Glücksgefühl. Ich drehte das Autoradio auf und sang lauthals mit. "Bye (bye), ich fühl mich so frei (frei), Ich will nicht mehr heim und mir is scheißegal, was morgen kommt. Ich heb mein Glas und schrei: Bye (bye), ich fühl mich so frei (frei), Ich will nicht mehr heim und mir is scheissegal was morgen kommt ..."
Hannover Airport näherte sich mit jedem Kilometer. Ich parkte im bereits erwähnten Parkhaus Ost. Der Mann hatte mir gesagt, sie würden höchstwahrscheinlich beim abgesperrten Bereich für das Militär ausgeschleust werden, und so stand das Auto so dicht wie möglich dran. Terminal D war allerdings dicht, und so dachte ich, ich frage einfach mal irgendwo an einer Information nach. Schadet ja nichts. Und Zeit hatte ich auch noch massig.
Das vertraute Flecktarn-Grün sah ich, bevor ich einen Informationschalter erreichen konnte. Also lieber mal die Soldaten gefragt. Die müssen's ja wissen! :) Wieder zurück zu Terminal C, gleich nach dem Urlaubsflieger von Sonstwoher würden unsere Afghanistan-Heimkehrer ausgeschleust werden! Juchuuu! Noch knapp eine Dreiviertelstunde! Eine sehr lange Dreiviertelstunde, die keine Dreiviertelstunde blieb. Eine Stunde warten. Und warten. Der Urlaubsflieger kam. Die Urlauber wurden freudig begrüßt. Es zog alles an mir vorbei. Ich trippelte mit den Füßen, die Aufregung stieg von Minute zu Minute. So lange konnte das doch jetzt nicht mehr dauern. Und warten ... und warten. Nichts in Sicht. Also erstmal zum Automaten ein Kaltgetränk mit dem Namen meines Mannes ziehen. Und daran nippen. Schluck für Schlückchen. Es lenkte etwas ab.
Da ich nun aber aufgestanden war, war mein guter Platz an der Fensterscheibe futsch. Und so langsam regte sich etwas. Die ersten Wartenden (viele Frauen natürlich und andere Soldaten) standen auf. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen. Und tatsächlich: WÜSTENTARN! Endlich wieder Wüstentarn nach so langer Zeit des Wartens. Mein Herz hüpfte, und die ersten kleinen Tränchen der Erleichterung liefen. Der Mann aber noch nicht in Sicht. Also weiter warten. In den Anzügen sehen die Soldaten ja auch irgendwie alle gleich aus. Welcher war also meiner? Als er dann aber den Raum hinter der Glasscheibe betrat, habe ich ihn sofort gesehen. Da war er also, mein Mann, unversehrt wieder zurück auf deutschem Boden. Die Anspannung der letzten Monate fiel mit seinem Anblick von mir ab, und ich war froh, dass er wieder da war. Hinter der Glasscheibe.
Die nächsten Minuten waren ein nicht enden wollendes WARTEN. Das mit der Gepäckausgabe könnten die aber auch wirklich schneller hinbekommen! Schließlich warten wir hier schon 4-6 Monate aufeinander!
Dann, er stand am Gepäckband und hob seinen Blick. Und seine Augen trafen meine. Und er lachte und ich lachte - und hatte die nächsten Tränen in den Augen. Wir winkten einander zu. Weitere Minuten vergingen, in denen nichts geschah. Dann endlich schulterte er seinen Seesack, Rucksack und Tasche in den Händen, und kam durch die Schleuse. Ich fiel ihm in die Arme. Eine erste Umarmung. Ein erster Kuss. Es war alles so vertraut. Die Erfüllung des Versprechens. Glück. Nichts als Glück. Und Erleichterung.
Wir verabschiedeten uns schnell von den Kameraden, verzichteten auf den Willkommensdrink der Einheit und machten uns auf den Weg zum Parkhaus. Und da sah ich ihn - den Bundeswehr Airbus mit der Nase quasi direkt vor meinem Auto stehen!
Wenn ich zwei Stunden im Auto sitzen geblieben wäre, hätte es anders sein können ...
So bin ich einfach nur froh, dass der Mann endlich wieder zuhause ist. Bei mir. Bei uns. Und wie die Kinder am nächsten Tag reagiert haben?